
Neue Fahne für alte Tradition: Zofinger Schützen feiern
Zofingen 17. Mai: Fahnenweihe der Schützengesellschaft Zofingen
«Es ist ein ganz spezieller Moment, den nicht mancher Präsident in seiner Amtszeit erleben darf», sagt Christian Klauenbösch, der 33-jährige Präsident der Schützengesellschaft Zofingen (SGZ) zur bevorstehenden Fahnenweihe. Die Vorfreude auf die Feier ist bei ihm ebenso gross wie bei Ehrenpräsident Hans Holenstein, der dem Verein in allen Vorstandschargen während 27 Jahren gedient hat, davon acht Jahren als Präsident. Mit der Fahnenweihe wird die jetzige, 1978 geweihte Fahne in Pension gehen. Sie muss aufgrund diverser irreparabler Schäden ersetzt werden. Eine fünfköpfige Fahnenkommission um die Ehrenmitglieder Hans Holenstein, Heinz Linder und Bruno Siegrist sowie Fähnrich Fabian Wiesenzarter und Präsident Christian Klauenbösch hatte sich vor rund einem Jahr dem Projekt der Fahnenbeschaffung angenommen. Wie die neue Fahne aussehen wird, bleibt bis zur Fahnenweihe vom 17. Mai ein gut gehütetes Geheimnis. «Wir wissen auch nicht, die wievielte Vereinsfahne in der Geschichte des Vereins geweiht wird», betont der 83-jährige Hans Holenstein.
Die wohl älteste Schützengesellschaft der Schweiz
Denn die Schützengesellschaft Zofingen ist eine der ältesten Schützengesellschaften der Schweiz. «Nach unserem Wissen könnte die SGZ sogar die älteste Schützengesellschaft überhaupt sein», sagt Hans Holenstein. Wobei nicht einmal ganz klar ist, wie alt die Gesellschaft, welche das Geburtsdatum 1528 in ihrem Wappen führt, wirklich ist. Denn Gründungsdokumente fehlen ebenso wie es kaum Dokumente zur Schützengesellschaft aus dem 14. und 15. Jahrhundert im Zofinger Stadtarchiv gibt. Dies könnte verschiedenen Elementarereignissen geschuldet sein, wie Georges Valko vermutet: Das Erdbeben von 1356 richtete in der Thutstadt grosse Verheerungen an, der Brandkatastrophe von 1393 fiel die gesamte Unterstadt zum Opfer und der Stadtbrand von 1396 verschonte ein einziges Haus in der ganzen Stadt. Seine umfassenden Nachforschungen hat Valko 1997 in einer Chronik der Schützengesellschaft niedergeschrieben. Valko machte sich – mit Bezug auf die 1811 veröffentlichte Chronik der Stadt Zofingen von Johann Jakob Frikart – für das Gründungsjahr 1397 stark. Damals war in Zofingen aller Wahrscheinlichkeit nach die St. Sebastians Bruderschaft gegründet worden, die allgemein als direkte Vorgängerin der Schützengesellschaft angesehen wird. Belegt ist jedenfalls, dass Zofinger Schützen 1441 ein Schützenfest in Zürich, 1442 eines in Bern besuchten.

November 2018.
Bild: Archiv Zofinger Tagblatt / Michael Wyss
Als zweites und bis heute offizielles Gründungsjahr gilt 1528, als die «Gnädigen Herren» in Bern der Zofinger Bruderschaft eine Namensänderung befahlen. Als Folge der Reformation musste die Bezeichnung «Sankt» verschwinden, die St. Sebastians Bruderschaft nannte sich fortan Schützenzunft. In der Zunft waren, neben den eigentlichen Schützen, auch etliche Handwerksinnungen vertreten. Als sich Schützen und Handwerker 1808 mit einigen Begleitgeräuschen – das liebe Vereinsvermögen wollte gerecht aufgeteilt sein – trennten, erfolgte wiederum eine Namensänderung. Aus der Schützenzunft wurde die Schützengesellschaft, die sich in der Folge erstmals eine eigene Schützenordnung gab und auch nicht mehr den Stadtbehörden unterstand.
Die unterschiedlichen Versionen zur Gründungsgeschichte führten zur kuriosen Situation, dass die SGZ 1978 das 450-Jahr-Jubiläum feierte. Nur 21 Jahre später, 1997 beging die Zofinger Schützengesellschaft die Feier zum 600-jährigen Bestehen. Die Schützen verstehen sich offensichtlich nicht nur aufs Schiessen, sie wissen auch Feste zu feiern. «Es ist natürlich so, dass das Gesellige immer eine fast eine ebenso wichtige Rolle wie das Schiessen gespielt hat», meint Hans Holenstein. Und auch viele Freundschaften unter Schützinnen und Schützen sowie Schützengesellschaften entstanden sind, die von Generation zu Generation fortbestehen. Nicht zuletzt auch in der Vereinigung «Historische Schützen Schweiz», der die SGZ angehört. Auch beim wohl bekanntesten historischen Schiessen, dem Rütlischiessen kämpft die SGZ als erste ständige Gastsektion jedes Jahr um den Silberbecher und beim Pistolen Rütlischiessen amtet die Gesellschaft sogar als Stammsektion.
Bevölkerung ist zum Mitfeiern eingeladen
So sind neben Behörden auch viele befreundete Vereine zur Fahnenweihe eingeladen. «Wir freuen uns darauf, diesen besonderen Moment mit vielen befreundeten Vereinen und mit der Zofinger Bevölkerung zu teilen», betont Christian Klauenbösch. Das grosse Fest startet am Samstag, 17. Mai ab 15.30 Uhr mitten in der Altstadt mit der Begrüssung durch den SGZ-Präsidenten Christian Klauenbösch. Bereits eine halbe Stunde vorher öffnet die Festwirtschaft. Die Stadtmusik und der Tambourenverein Zofingen sorgen für die musikalische Begleitung während des Anlasses. Um 15.40 Uhr wird dann das gut gehütete Geheimnis gelüftet – der Einmarsch der neuen Fahne ist auf diesen Zeitpunkt hin vorgesehen. Die Festansprache hält mit Ehrenmitglied Herbert H. Scholl ein ausgewiesener Kenner der Zofinger Schützengesellschaft, anschliessend werden weitere Grussbotschaften überreicht. Mit dem auf 16.35 Uhr geplanten Fahnengruss geht der offizielle Teil der Fahnenweihe um 17.15 Uhr ihrem Ende entgegen. Was nicht heisst, dass die Gäste noch länger sitzenbleiben dürfen. Denn die Festwirtschaft schliesst erst zu später Stunde. «Wir hoffen natürlich auf schönes, im Mimimum trockenes Wetter», sagt Christian Klauenbösch, es gebe aber einen Plan B, sollte das Wetter nicht wie gewünscht mitspielen.
Eine starke Gesellschaft
«Die neue Fahne steht für die Gemeinschaft und den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft», führt Hans Holenstein aus. Eine starke Gesellschaft, die mit ihren rund 170 Mitgliedern breit aufgestellt ist. Die SGZ betreibt mit Jungschützenkursen und im Schulsport eine breite Jugendförderung. «Wir verspüren momentan einen leichten Aufschwung», kann Christian Klauenbösch feststellen, was nicht zuletzt der aufopfernden Nachwuchsarbeit, die unter der Führung von Bruno Siegrist betrieben werde, zu verdanken sei.
Spitzensport wird in der SGZ momentan nicht mehr betrieben, seit Christian Klauenbösch 2017 seinen Rücktritt aus dem Nationalkader erklärt und sich wieder dem Breitensport zugewandt hat. Der heutige Präsident darf ohne Umschweife als sportliches Aushängeschild der traditionsreichen Schützengesellschaft bezeichnet werden. Der Bottenwiler Pistolenschütze ist Junioren-Europameister, mehrfacher Schweizermeister sowie eidgenössischer Pistolen-Schützenkönig von 2010 und 2021.

Bild: Archiv Zofinger Tagblatt / Raphael Nadler