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Bei der Badi wird sich Reiden bald die Gretchenfrage stellen müssen

Jede Einwohnerin und jeder Einwohner von Reiden subventioniert die Badi im Schnitt mit rund einer Hunderternote pro Jahr. An einem Info-Abend wurde klar: Die politische Diskussion, welche Badi sich die Gemeinde künftig leisten will, muss bald folgen.

Reiden Informationsabend machte deutlich, dass die politische Diskussion bald folgen muss

Es war ein Anlass, auf den viele Stimmberechtigte in Reiden schon in den letzten Jahren gewartet hatten. Die Badi Reiden AG lud zu einem Informationsabend ein, an dem so ausführlich wie nur möglich informiert werden sollte. «Es ist uns wichtig, für transparente Kommunikation zu sorgen», sagte Josua Müller, der seit letztem Juni das VR-Präsidium des Betriebs übernommen hat. Müller ist zudem Gemeindepräsident von Reiden; der Gemeinde gehört die Badi zu 100 Prozent.

Zu beneiden sind er und die anderen Verwaltungsräte, die ebenfalls erst seit Kurzem im Amt sind, nicht. Die Badi sei seit Jahren ein Zankapfel; es sei verrückt, was im Dorf alles erzählt werde, so Müller. Eine Versachlichung der Diskussion sei deshalb das Gebot der Stunde. Müller machte auch klar, dass es an diesem Abend nicht darum gehe, eine politische Diskussion zu führen. «Die findet dann im Sonnensaal statt», sagte er. Auch habe man nicht auf alle Fragen eine Antwort. «Wir werden aber bemüht sein, diese zu liefern», sagte er.

Hoher Verlust trotz mehr Gästen

Die Badi hat tatsächlich ein paar Baustellen, die dem VR – und am Schluss den Steuerzahlenden – noch einiges Kopfzerbrechen bereiten werden. Im letzten Jahr konnte sie zwar, dank schönem Wetter, mehr Gäste begrüssen. Sie fuhr trotzdem einen Verlust von 307’000 Franken ein.

Dazu kommen hohe Schulden. Diese «und die damit verbundenen Amortisationen und Abschreibungen sind eine riesige Herausforderung», heisst es im Jahresbericht. 2023 schrieb die Badi Reiden über 330’000 Franken am Anlagevermögen ab.

Eine der Baustellen war und ist das Badi-Restaurant Bahn 5. Ursprünglich hatte der VR gehofft, es per Anfang März neu zu verpachten. 35 Bewerberinnen und Bewerber hatten sich gemeldet. Beim ausgewählten Kandidaten, für den sich der VR entschieden hatte, fehlte aber offensichtlich das «Herzblut», wie es am Info-Abend mehrfach hiess.

Im letzten Moment zog der VR die Reissleine und brach die Verhandlungen «im gegenseitigen Einvernehmen» ab. Als Interimsmanager in die Bresche gesprungen ist der Gastronom Stephan Portmann. Er habe schon öfter als «Krisenmanager» fungiert, sagte er, jetzt wolle er mit dem Team «das Beste aus dem Betrieb herausholen». So will Portmann beispielsweise das Projekt «virtuellen Kantine» forcieren: Mitarbeitende von Industrie- und Gewerbebetrieben können ihr Essen bei der Badi bestellen und liefern lassen.

Offen ist die Nachfolge: Zurzeit sei man mit zwei potenziellen Pächtern im Gespräch, sagte Verwaltungsrat Peter Isenegger. Sie würden gründlich durchleuchtet.

Einen VW bestellt, einen S-Klasse-Mercedes bekommen

Informationen gab es auch zum hängigen Rechtsstreit. Der damalige VR habe quasi «einen VW bestellt und einen S-Klasse-Mercedes geliefert bekommen», sagte Anwalt Josef Wicki, der die Badi Reiden vertritt. Am Schluss fielen die Kosten um zwei Millionen Franken höher aus als vorgesehen; die Badi stellt sich auf dem Standpunkt, damit sei ihr ein Schaden in gleicher Höhe entstanden. Das mit dem Bau beauftragte Unternehmen sieht dies ganz anders: Der VR habe die Mehrkosten bewilligt, was hingestellt worden sei, sei seinen Preis wert gewesen.

Die Parteien sind offenbar weit voneinander entfernt. Es gibt Gesprächsbereitschaft, eine Einigung ist aber nicht in Sicht.

Im Grunde hat Reiden vier Optionen: Erstens, einen Vergleich anzustreben – eine «schwierige» Variante, wie Wicki sagte. Zweitens die Forderung abzutreten, also quasi an jemanden zu «verkaufen», der sie dann eintreiben würde – viel herauszuholen gäbe es wohl nicht.

Drittens die Kröte schlucken und klein beigeben – dann bleibt die Badi auf den bestrittenen zwei Millionen sitzen. Oder viertens: einen Prozess anstreben. Das birgt zwar das Risiko, dass die Badi «gutes Geld schlechtem nachwirft», wie Wicki sagte. Trotzdem würde er empfehlen, einen Prozess zu riskieren, wie er auf Nachfrage aus dem Publikum meinte. «Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass wir durchdringen.»

Klagen müsste die Badi vor dem Schiedsgericht der Schweizer Immobilienwirtschaft, kurz SVIT. Bei einer Niederlage wären die Weiterzugsmöglichkeiten beschränkt; bei einem Sieg sprängen aber kaum zwei Millionen heraus, sondern deutlich weniger. Das besagte Unternehmen verfüge über eine Haftpflichtversicherung, sagte Wicki auf die Frage aus dem Publikum, ob es überhaupt Schadenersatz zahlen könnte; pro Schadenereignis sei es über eine Summe von einer Million Franken versichert.

710’000 Franken an die Badi bezahlt

Die Entscheidung zu treffen, ob die Badi prozessieren soll oder nicht, gehört zu den wesentlichen Aufgaben, die der VR unter Josua Müller nun bewältigen muss. Völlig offen – und davon abhängig – ist die Frage, wie es mit der zweiten, gestoppten Bauetappe weitergeht. Denn eigentlich müsste auch das Freibad saniert werden; doch dazu fehlt der Badi das Geld.

Ein weiterer wichtiger Job sehe der VR darin, eine möglichst präzise Schätzung zu machen, welche Erträge die Badi künftig realistischerweise erwirtschaften könne. Der Verwaltungsrat wolle nicht den Eindruck erwecken, er habe alle Lösungen parat. Am Schluss müsse eine politische Diskussion stattfinden, «bei der sich Reiden die Gretchenfrage stellen muss», wie Müller sagte – der sich am Schluss darüber freute, dass am Info-Abend eine sachliche Diskussion stattgefunden habe.

«Gretchenfrage» heisst: Die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler müssen entscheiden, welche Badi sie sich künftig leisten wollen; in den Raum stellte jemand aus dem Publikum auch den Vorschlag, das Aussenbad zu schliessen und nur noch das Hallenbad zu betreiben, mit dem eine schwarze Null möglich sei.

Davon war die Badi – und damit die Gemeinde als Eigentümerin der AG – letztes Jahr weit entfernt. Zu dem Defizit von 307’000 Franken, das die Gemeinde zu tragen hat, kommt der A-fonds-perdu-Beitrag von 430’000 Franken, der immer Anfang Jahr an die Badi geht. Davon fliesst ein kleiner Teil – 27’000 Franken – zwar wieder von anderen Gemeinden an Reiden zurück. Unter dem Strich kostete die Badi die Gemeinde Reiden im letzten Jahr dennoch 710’000 Franken. Rechne: Reiden hat 7600 Einwohnerinnen und Einwohner. Grob gesehen subventioniert jede und jeder von ihnen die Badi mit einer Hunderternote.