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Comeback des winterlichen Seelentrösters aus dem Trester

Zum 27. Mal lud Organisator Heinz Krähenbühl eine Schar von Oftringer «Gwärblern und Friends» zum Treberwurst-Essen in Twann ein.

Oftringen «Gwärbler and Friends» gingen in Twann in geselliger Runde ran an die Treberwürste

Nach zwei coronabedingten Absagen konnte das traditionelle Treberwurst-Reisli wieder stattfinden. Organisator Heinz Krähenbühl und sein «Sekundant» Heinz Heller aus Zofingen, der krankheitshalber kurzfristig forfait geben musste, luden «Gwärbler and Friends» schon zum 27. Mal ein. Die 28 Plätze gingen weg wie jeweils die Cupfinal-Tickets. Kari Zimmerli pilotierte den Reisecar sicher über den «Röschtigrabe» ins Städtchen Twann. Meinte einer beim Apéro: «Ich glaube, das Knurren hungriger Mägen gehört zu haben …». – Im Januar und Februar, wenn es abends «hudlet» und bitterkalt ist, dann schätzt man die deftigeren Gaumenfreuden ganz besonders. Emsige Betriebsamkeit erwacht dann an der Dorfstrasse beim 45-jährigen Weinbauern «Stöffu» Ruff im Schlössli. Dort rückt man auf Holzbänken eng zusammen. Man vergisst den Alltag und das Kalorienzählen und freut sich auf den unvergleichlichen Genuss der Treberwürste.

Ein hungriger Schnapsbrenner hat die Wurst erfunden

Die Reben halten Winterruhe, nichtsdestotrotz überraschen die Winzer der Bielerseeregion aktuell viele Besucher. Das gesellige Treberwurstessen in den Carnotzets (Keller-Beizlein) lockt jährlich Abertausend an. Dort lassen sich die Gäste mit Treberwurst, «Härdöpfusalat» oder Gratin, manchmal zur Anregung der Verdauung Kabissalat, edlem Rotwein und anschliessend einem Marc verwöhnen. Die Treberwurst, so die Überlieferung, einst am Bielersee von einem hungrigen Schnapsbrenner erfunden – um 1870 behaupten manche –, ist zur Berühmtheit avanciert, das Ritual ihrer Zubereitung – im Brennkessel auf dem Traubentreber – zum kulinarischen Event.  Irgendwann schlief der Brauch ein, bis der verstorbene Twanner Schnapsbrenner und Winzer Werner Ruff die winterliche Delikatesse 1977 wieder auf den Tisch brachte. Anfangs wurde seine Idee belächelt und nur zwei weitere Weinbauern machten mit. Mit ihrer «Schnapsidee» generieren zahlreiche Winzer und Brenner einen willkommenen Nebenerwerb.

Diese Wurst muss es in sich haben

Oder würden sonst Leute in vollen Reisecars aus allen Ecken der Schweiz an den Bielersee pilgern? Dabei klingt das Wurstrezept überhaupt nicht spektakulär: Schweinefleisch und Gewürze … – was allerdings genau in der Gewürzmischung drin ist, bleibt ein Geheimnis. Sei’s drum, verantwortlich für den legendären Ruf ist so oder so etwas anderes: der Trester – das, was nach dem Pressen der Trauben übrigbleibt. Die in einer Schale im Brennhafen mit 78 Grad heissem Treberdampf erhitzte Wurst erfreut sich grosser Beliebtheit. «Die kreuzweise aufgeschichteten Würste – jede ist zwischen 700 und 900 g schwer – werden im dampfenden Brennhafen gut eine Stunde lang gegart. Damit der charakteristische Marc-Geschmack die Wurst so richtig durchdringen kann, verwendet man Naturdärme, die poröser sind als künstliche Wursthüllen. Diese Stücke werden à discrétion mit Beilage serviert und dazu natürlich mit dem hauseigenen Wein und Schnaps dorthin gespült, wo es sein muss. Vor den Gästen, ausgerüstet mit Messer und Gabel an der Tafel sitzend, folgt noch eine «Schaueinlage»: Mit einem zünftigen Spritzer Marc werden die rehbraunen, stattlichen Würste übergossen und flambiert. Nun darf aufgeschnitten werden. Sogleich steigt ein feiner Marc-Duft empor. Auf der Zunge zeigt sich, ob die Komposition gelungen ist, ob sich das Aroma des Tresters mit jenem des geräucherten Fleisches und der Gewürze konkurrenzlos ergänzt.

Nicht weniger als 14 Treberwürste, 800 bis 900 Gramm schwer, dazu mehrere Schüsseln Kartoffelsalat und einige Kilo Schwarzbrot wurden verputzt.
Bild: Bruno Muntwyler
Drei Wurstreisli-Stammgäste beim Apéro (v.l.): Dr. Stefan Hänggi, Dr. Markus Lorch und Bruno Berger.
Bild: Bruno Muntwyler
Mit einem scharfen «Hegel» werden die rehbraunen, stattlichen Würste schräg geschnitten.
Bild: Bruno Muntwyler