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Die grosse Trockenheit sorgte für ein extrem mageres Pilzjahr

Pilzliebhaber machten dieses Jahr sicher keine Freudensprünge. Speisepilze blieben dieses Jahr Mangelware. Der Brittnauer Pilzkontrolleur Fredy Murat, der zusammen mit seinem Kollegen Hansjörg Herzog mittlerweile für die Pilzkontrolle in sieben Gemeinden zuständig ist, verrät, wieso ein schlechtes Pilzjahr für den Pilzkontrolleur nicht unbedingt weniger arbeitsintensiv ist. 

Brittnau Pilzkontrolleur Fredy Murat zur Pilzsaison 2023

«Gut, dann können wir zusammen ein wenig jammern», sagt Fredy Murat lachend am anderen Ende des Drahts, als der Termin vereinbart ist. Doch klagen mag der 70-jährige Pilzkontrolleur beim Treffen nicht. «Pilze lieben feuchtes und warmes Wetter», betont Murat, und das sei dieses Jahr nun wirklich nicht häufig der Fall gewesen. Auf einen nassen und kalten Frühling folgte Ende Mai / Anfang Juni ein abrupter Wetterumschlag auf extrem heisse Temperaturen. «Ganz kurze Zeit zeigten sich anfangs Juni wenige Pilze im Wald – dann war es viel zu trocken», betont Murat. Und als es im Oktober zu regnen begann, habe es viele Steinpilze und Hexenröhrlinge gegeben. Das Highlight des Jahres für Pilzliebhaber, das allerdings nur eine ganz kurze Zeit anhielt. «Zehn Tage – und dann war der ganze Zauber vorbei», sagt der Brittnauer Pilzkontrolleur. Das Fazit über die Pilzsaison 2023 hat Murat schnell gezogen. «Es war ein extrem mageres Pilzjahr». 

Noch sei die Saison zwar nicht ganz abgeschlossen, meint Murat beim Gespräch (am 2. November). «Definitiv fertig mit ‹pilzlen› ist erst, wenn die ersten Fröste gekommen sind», sagt er. Aber seine Hoffnungen seien doch merklich kleiner geworden. 

Vom Pilzvirus befallen

Auf den Pilz gekommen sei er erst, als er von zu Hause ausgezogen sei, sagt der in Oftringen aufgewachsene, heute in Brittnau lebende Murat. «Daran ist meine Frau nicht ganz unschuldig gewesen», sagt er. Bei Waldspaziergängen sei das gemeinsame Interesse für Pilze geweckt und schon bald zum Hobby für die Familie geworden. Nach ersten Pilzkursen erfolgte der Beitritt zum Verein für Pilzkunde Zofingen, die Ausbildung zum Pilzkontrolleur 1995. Und vor rund 25 Jahren war Fredy Murat der Initiant für den Brittnauer Verein für Pilzkunde. «Wenn man dem Pilzvirus verfallen ist, will man immer mehr wissen», betont er. Er sei sich aber bewusst, dass er selber nie alles wissen könne, denn das Gebiet der Mykologie, der Wissenschaft von den Pilzen, sei extrem vielfältig und vernetzt mit vielen anderen Fachgebieten.

Pilzkontrolle erträgt keine Kompromisse

Allein schon die schiere Anzahl der in der Schweiz vorkommenden Grosspilzarten – von ihnen gibt es zwischen 6000 und 7000 Arten – macht es fast unmöglich, jeden dieser Pilze zu kennen. Doch eines könne er mit Bestimmtheit sagen: «Bei Speisepilzen sind ausgebildete Pilzkontrolleure, die eine Pilzkontrollstelle führen, absolut sattelfest», betont Murat. Mit jeder Sicherheit. Denn die Pilzkontrolle ertrage absolut keine Kompromisse. Und erzählt gleich von einer Kontrolle in diesem Jahr. Da sei ein Pilzsammler mit einem prall gefüllten Korb voll wunderbarer Steinpilze in die Pilzkontrolle gekommen. «Wir haben dem Korb die oberste Schicht Steinpilze entnommen – darunter lagen weitere herrliche Steinpilzexemplare und mittendrin ein ein grüner Knollenblätterpilz», führt der Brittnauer Pilzkontrolleur aus. «Schon der teilweise Verzehr des Knollenblätterpilzes, der als einer der gefährlichsten Giftpilze gilt, hätte eine tödliche Vergiftung auslösen können», betont Murat. Es habe auch den beiden Kontrolleuren weh getan, die schönen Steinpilze entsorgen zu müssen. 

Obwohl sein Pilzkonsum mit den Jahren merklich gesunken sei, wie Fredy Murat unumwunden zugibt. «Ich sehe das Jahr hindurch so viele Pilze, dass der Appetit manchmal hinten ansteht», sagt er und fügt schmunzelnd an: «Das Interesse kommt bei mir deutlich vor dem Konsum.» Er gehe unheimlich viel sammeln, auch schon in der Zeit, als er noch berufstätig gewesen sei. «Das war für mich immer die Möglichkeit, den beruflichen Stress hinter mir zu lassen», sagt der gelernte Drucker und ehemalige Inhaber einer Zofinger Druckerei. Das Sammelgut sei aber mehrheitlich für die Pilzessen des Vereins oder dann für die eigene Kurstätigkeit bestimmt.

Aufwendig und wenig lukrativ

Aarburg, Brittnau, Murgenthal, Oftringen, Strengelbach, Vordemwald und Zofingen. Diese sieben Gemeinden haben ihre Pilzkontrollstelle mittlerweilen nach Brittnau zu Fredy Murat und Hansjörg Herzog ausgelagert. Viele der vormaligen Pilzkontrolleure haben ihr Amt alters- oder gesundheitshalber aufgegeben und eine Nachfolge innerhalb der Gemeinden konnte nicht gefunden werden, obwohl eigentlich genügend Pilzkontrolleure ausgebildet werden.  Die Gründe dafür sind rasch erklärt. «Das Amt ist aufwendig und wenig lukrativ», bringt es Fredy Murat auf den Punkt. Pilzkontrolleure müssen in der Zeit vom 10. August bis zum 31. Oktober ihre Dienste erbringen, ausserhalb dieser Zeiten stehen sie auf telefonische Anfrage meist zur Verfügung. Das sei sehr zeitaufwendig, betont Murat, insbesondere wenn man bedenke, dass ein Pilzkontrolleur nicht nur bestimme, sondern auch berate. Gerade in der Pandemie-Zeit sind deutlich mehr Leute in den Wald gegangen. «Pilzlen» ist trendig geworden. «Das hat uns eine neue ‹Kundschaft› gebracht», sagt Murat, darunter viele junge Familien ohne jedes Wissen über Pilze und übers Pilze sammeln. Doch gerade hier sei Aufklärung wichtig gewesen, betont der Pilzkontrolleur. Es sei schön, wenn Familien mit ihren Kindern in den Wald gehen und sie dürften auch beim Sammeln dabei sein, führt er aus. «Aber Pilze gehören nicht in die Hände von Kindern unter sechs Jahren», sagt er strikt, das sei viel zu gefährlich. «Man lässt ja Kleinkinder in einer Apotheke auch nicht an die Schränke», zieht er einen bildlichen Vergleich.

Schöne Begegnungen

Entgegen der Erwartungen bringen schlechtere Pilzjahre den Kontrolleuren eher mehr an Arbeit. «In guten Pilzjahren pflücken die Leute meist nur Pilze, die sie kennen, in schlechten Jahren nehmen sie alles mit, was sie finden», sagt er. Und ja, manchmal staune er schon, was die Leute alles mitbringen würden, sagt er und schüttelt den Kopf.

Trotzdem: Auch wenn die Entschädigung, welche die Gemeinden ausrichten würden, eher den Charakter eines Trinkgelds hätten, liegt Murat sein Amt am Herzen. «Die Begegnung mit den Menschen ist das Schöne an dieser Tätigkeit», betont er, und die meisten Menschen würden die Ratschläge der Kontrolleure auch äusserst dankbar aufnehmen. Und eine gewisse Entlastung ist auch für die beiden Pilzkontrolleure angedacht. Im kommenden Jahr soll ein dritter Kontrolleur zum Team stossen. Das sei aber noch mit den betroffenen Gemeinden abzusprechen. «Aber wir denken, dass dies auch im Sinne der Gemeinden ist, um den stetig steigenden Anforderungen an die Pilzkontrollstelle zu genügen», meint Fredy Murat.

Für viele Feinschmecker gilt der Steinpilz als der König der Pilze.
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Einer der giftigsten Pilze: Grüner Knollenblätterpilz.
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