Sie sind hier: Home > Zofingen > Ein berauschendes Credo an den Tango

Ein berauschendes Credo an den Tango

In rote Hefte sind diese Klänge eingebunden. Aus schwarz gewandeten Kehlen brechen sie sich Bahn. Der Cantus Firmus bringt zum 50-Jahr-Jubiläum sein Kyrie Eleison zu Tango-Rhythmen zum Vibrieren. Der Stil diktiert. Zwar wogt die Leidenschaft, sie bleibt aber stets gefasst.

Zofingen Liturgie, Tanz und solistische Leidenschaft

Dem Jubiläumsensemble aus Chor, Tanzkapelle und Balletttänzerinnen gelingt es vor rappelvollem Saal Unvereinbares zusammenzubringen. In stolzer Eleganz fliessen argentinische hingebungsvolle Leidenschaft und christlich-entrückte Liturgie nebeneinander her. Ohne sich je zu vermengen, spielen die beiden Welten einander in reizvoller Zwiesprache und musikalischer Ergriffenheit emotionale Farbschattierungen zu.

Erfolgskomponist Palmeri ­himself greift in die Tasten

Martín Palmeri ist mit «Misa a Buenos Aires» («Misatango») 1996 ein sel­tenes Kunststück gelungen. Es hat ihn auf eine 30-jährige Weltkarriere geführt. Trotzdem lässt es sich der Argentinier nicht nehmen, den Laienchor Cantus Firmus am Flügel zu begleiten. Wohl auch, um das sensible Gleichgewicht zwischen Tango und Liturgie stets aufrechtzuerhalten. Die Tango­kapelle mit Violinen, Viola, Cello und Kontrabass ist mit klassisch geschulten Spitzenmusikern besetzt.

Mit Schwung startet der Chor in das Kyrie Eleison. Wie auf Knopfdruck schwingen die Stimmbänder aller Lagen vom ersten Moment an in vollstem Ton. Der liturgische Duktus gibt das Geschehen vor. Parallel dazu schlagen Tangoklänge zwischen Tempo und Lamento ihre Volten. Die Klangfarben und Rhythmen dieser Tanzmusik entfalten sich aufs Prächtigste.

Südamerikanische Melancholie und christliche Akklamation brechen sich nebeneinander Bahn, ohne sich je ineinander zu verquirlen. In ihre Leidenschaft und Inbrunst spiegeln sich Chor und Tangokapelle unentwegt ineinander. Der Raum ist offen, die Musik atmet freien Ausdruck in strenger Form. Das gleichzeitig Ungleichzeitige dieser nur auf Gefühl basierenden Harmonie bietet feinsinnigen Hörgenuss.

Traumwandlerisch sicher changieren die über 50 Sängerinnen und Sänger zwischen Bitten, Wehklagen, Lob und Ovation. Dirigentin Iona Haueter kitzelt Bestleistungen aus dem Chor heraus. Über diesem Stimmenteppich kann sich Solistin Jordanka Milkova mit ebenso bewegter wie bewegender Seele würdevoll entfalten. Gut vierzig Minuten lang folgt die Tangomesse dem Pfad der musikalisch-religiösen Läuterung, bis sie im Amen ihre Auflösung findet. Das Publikum applaudiert begeistert, der Komponist strahlt vor Glück.

Tango pur bis zur Befreiung im Libertango

Im Anschluss gehört die Bühne dem Tango sowie den Balletteusen und dem Balletttänzer der Zofinger Tanzschule Linder. Während das musikalische Septett stilecht zur La Cumpar­sita von Gerardo Hernan Matos Rodriguez aufspielt, empfindet das Tanzquartett Formen und Figuren des Tangotanzes durchdrungen mit Ausdrucksformen des Balletts nach. Weniger der engen Zwiesprache unter dezidierter Führung des Mannes verpflichtet, wie es der Tango Nuevo zelebriert, sondern in einer freieren Form des Selbstausdrucks. Das setzt sich über mehrere klassische Tangokompositionen fort, bis dann das Konzert in der Vereinigung von Chor, Tanzkapelle und Ballett seinen Höhepunkt findet. Und zwar im weltberühmten Libertango von Astor Piazzolla, wo der Chor selbst in wenigen klingenden Silben zum Musikinstrument wird. In dieser Hymne wird Tango auch in Zofingen zur Weltmusik.