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Happy End mitten in Schutt und Asche?

In Aarburg ist «Füür im Dach». Nicht im, sondern hinter dem Rathaus, wo der Museumsgarten während einem Monat zur Bühne wird. Regisseur Nicolas Russi inszeniert mit einem kleinen Ensemble eine selbst verfasste Liebesgeschichte in der Art von Romeo und Julia, die er in der Zeit des Aarburger Städtlibrands von 1840 angesiedelt hat. Vor und nach dem Jubiläumsfest «900 Jahre Aarburg» gibt es bestes Freilichttheater.

Aarburg 11. August, 20.30 Uhr, Premiere für das Freilichttheater «Füür im Dach» 

«Eigentlich wollte ich einfach mehr Zeit haben für das, was ich wirklich gerne mache», sagt Nicolas Russi. Darum liess sich der Brittnauer im November 2022 frühzeitig pensionieren. «Und jetzt bin ich voll ausgebucht», fügt er schmunzeld an. Ja, Nicolas Russi ist momentan an vielen Fronten engagiert. Die Derniere beim begeisternden Freilichttheater im Sennhof Vordemwald, wo Russi Regie im selbst verfassten Stück führte, liegt nur kurze Zeit zurück. Aktuell laufen die Probearbeiten beim Aarburger Freilichttheater – hier verfasste Russi das Stück ebenfalls selbst und führt Regie – auf Hochtouren. Die Proben für eine zweite Produktion auf der Fennern-Bühne (Vorstellungen im Oktober/November) sind ebenfalls schon angelaufen, und bei der Theatergesellschaft Oberentfelden, wo Russi ebenfalls Regie führt, findet am Montag nach der Aarburger Premiere die erste Probe statt (Vorstellungen im Januar 2024). Und so ganz nebenbei schreibt der 63-jährige Brittnauer auch noch an einer Dorfchronik für die Gemeinde Kriegstetten.

Arbeit in Hülle und Fülle also. «Die Lust, etwas zu machen, hat sich auch angestaut», betont Russi, vor allem im Theaterbereich habe man während der Pandemie überhaupt nichts machen könne. Besonders arg sei es in Oberentfelden gewesen, wo für die Spielzeit 2021 die Proben abgebrochen und ein Jahr später kurz vor der Premiere die ganze Saison abgesagt werden musste. «Und jetzt hat sich alles ein wenig konzentriert, indem sich jeweils zwei Engagements überschneiden», sagt Russi.  

Vom Schnitzelbank zum Theater

Doch woher kommt überhaupt diese Leidenschaft fürs Theater und Stücke schreiben? «Das Flair fürs Dichten und Reimen hat mir wohl meine Mutter in die Wiege gelegt», sagt Russi. Sie – eine Baslerin – sei eine begeisterte Fasnächtlerin gewesen. Eine Leidenschaft, die sich auch auf den in Herzogenbuchsee aufgewachsenen Russi übertragen hat. «Nur die wenigsten Personen aus meinem Freundeskreis haben verstanden, dass ich ausgerechnet während den Abschlussprüfungen am Seminar als Schnitzelbänkler an der Langenthaler Fasnacht aufgetreten bin», verrät er. Schnitzelbänkler – das ist Russi noch viele weitere Jahre geblieben. Beruflich hingegen wandte er sich dem Schreiben zu. Zuerst als freier Mitarbeiter bei der Berner Zeitung / Langenthaler Tagblatt, später als Regional- und Sport-Redaktor beim Zofinger Tagblatt. «Beim Tägu habe ich dann Adelheid Aregger kennengelernt, durch sie bin ich als Laienschauspieler zur Theatergesellschaft Reiden gekommen», erinnert er sich. Während sich Russi ab 2000 beruflich im Kommunikationsbereich zuerst selbständig machte und vor seiner Pensionierung im Angestelltenverhältnis noch 7 ½ Jahre in einer Kommunikationsagentur tätig war, rutschte das Theaterspielen zu Gunsten der Regiearbeit ab 2003 in den Hintergrund. «Das war nicht gesucht», betont Russi, «denn die Theatergesellschaft Reiden hatte sich 2003 von ihrem Regisseur getrennt und ich bin damals eingesprungen.»

Theater ist live und echt

Die Regiearbeit – eine Sache, die Russi von Beginn an fasziniert hat. «Was mir am Theater so gut gefällt – es ist live und es ist echt», betont er. Theater lebe für und mit dem Publikum, führt er weiter aus. Es sei dieser Dialog zwischen Schauspielern und dem Publikum – egal ob er sich mit Staunen, Lachen oder Betroffenheit zeige – der ihn fasziniere. «Wenn man diesen Dialog mit Leuten, die das nicht gelernt haben, schafft, dann ist das wunderbar», sagt der Brittnauer Regisseur. Besonders schön sei dieses Erlebnis im Sennhof gewesen, weil dort die Hälfte des Ensembles erstmals auf der Bühne gestanden sei. 

Zwar ist vor allem die leichte Muse Russi´s Ding, aber mit Vorbehalten. «Ich mache nicht gerne Komödien um des Lachens willen», führt er aus, insbesondere, wenn es sich bei den Lachern um Schenkelklopfer handle. «Theater, das ich gerne mache, darf durchaus auch eine Botschaft haben», betont er.

Aufwendige Recherchearbeit

Das ist auch in Aarburg so. Viel Zeit hat Russi für Recherchen zum grossen Städtlibrand von 1840 aufgewendet, bei dem mehr als dreissig Wohnhäuser, die Kirche und die drei Tavernen Krone, Bären und Falken ein Opfer der Flammen geworden sind. «Ich habe sämtliche Protokolle im Gemeindearchiv durchgelesen und auch im Staatsarchiv Aargau die entsprechenden Unterlagen eingesehen», sagt er. Über die Ursache des Brandes und das Brandereignis selber gebe es wenig Informationen, sehr detailliert seien aber die riesige Unterstützung von 40 Feuerwehren, die Arbeit des rasch gebildeten Hilfskomitees sowie der Wiederaufbau dokumentiert. Im Aarburger Heimatmuseum konnte sich Russi vor allem mit dem Thema «Feuerwehr im 19. Jahrhundert» vertraut machen. Und schliesslich hat ihm Stadtpräsident Hans-Ueli Schär die kulturhistorische Erzählung der Schriftstellerin Julia Niggli «Bernhardine und ihre Kinder» zugehalten, deren Anfang im Aarestädtchen zur Zeit des Brandes 1840 angesiedelt ist.

Voilà, der Stadtbrand und die Liebesgeschichte – das sind die beiden Themen, welche Russi in «Füür im Dach» verwoben hat. In der Welt um 1840, als das gesellschaftliche Leben noch einer anderen Ordnung folgte, spielt die Liebesgeschichte zwischen Bernhardine Spiegelberg (gespielt von Steffi Nussbaumer) und Christian Wartburg (Benjamin Waber). Eine Liebe, die nicht sein darf – und die doch ist, obwohl ihr von Bernhardines Bruder, dem Arzt Dr. David Spiegelberg (Marc-André Flück) immer wieder Hindernisse in den Weg gestellt werden. Kunstvoll verwoben wird die Liebesgeschichte mit Ereignissen aus der Brandnacht und dem Wiederaufbau in der folgenden Zeit. Dabei spielt der Aarburger Stadtpräsident Hans-Ueli Schär sinnigerweise den Gemeindeammann und Präsidenten des Hilfskomitees, Konrad Bohnenblust, der im zweiten Teil des Stücks originale Protokolle und Aufzeichnungen vorliest, die die einzelnen Szenen verbinden. Die grosse Frage bleibt: Finden Bernhardine und Christian zusammen? So viel sei verraten: Im privaten Leben sind die beiden ein Paar. Ob sie es wohl auch auf der Bühne schaffen?

Emotionales und stimmiges Stück

Die Kombination der beiden Themen mache die Faszination des Stücks aus, findet Nicolas Russi. «Der Brand allein wäre nicht zu ertragen, die Romanze allein wäre wohl zu süss», meint er. In der Kombination sei es aber ein emotionales und stimmiges Stück. Und gerade intime Momente würden bei der Nähe zum Publikum – zwischen der vordersten Zuschauerreihe und dem Ensemble ist nicht mehr als ein Meter Distanz – sehr gut rüberkommen. Und natürlich trage auch die mal einfühlsame, mal dramatische Musik des Saxophonisten Simon Spiess das ihrige zur stimmigen Inszenierung bei.

Vorverkauf läuft

Das Freilichttheater «Füür im Dach» geht am 11. August erstmals über die Bühne. Für die Premiere sind nur noch ganz wenige Tickets à 28 Franken erhältlich. Weitere Aufführungen, die zum Teil auch schon ganz gut gebucht sind, finden am 12./16./17./23./24./30./31. August sowie am 1./2./8./9. September statt. Spielbeginn ist jeweils um 20.30 Uhr. Tickets gibt es über eventfrog.ch und bei der Post. Begleitend bietet das Museum Aarburg Führungen zum Städtlibrand an folgenden Daten: 11. und 24. August sowie 1. und 8. September, jeweils von 19.30 – 20 Uhr.

Nicolas Russi führt beim Aarburger Freilichttheater Regie.
Bild: Thomas Fürst
Stehen der Liebe des Dorfschullehrers zur Tochter und Schwester abweisend gegenüber: Dr. David Spiegelberg und Johanna Spiegelberg.
Bild: Thomas Fürst
Stimmig: Hans-Ueli Schär in der Rolle des Gemeindeammanns Konrad Bohnenblust.
Bild: Thomas Fürst