
Totholz lebt – über siebzig Pilzarten nachgewiesen
Murgenthal Brittnauer Pilzkundler untersuchten Pilzflora in Altholzinsel
Treffpunkt ist das Vordemwalder Waldhaus Felli, direkt an der Verbindungsstrasse Riken – Glashütten gelegen. 14 Mitglieder des Vereins für Pilzkunde Brittnau haben es sich bei der Grillstelle neben dem Waldhaus gemütlich gemacht und geniessen den Apéro. «Anmächelig» sieht es auf dem Grillrost aus – Bratwürste und Servelats sind in Kürze genussbereit. Die kleine Mahlzeit haben sich die Brittnauer Pilzkundler redlich verdient. Denn am Morgen hatten sie – zum zweiten Mal nach 2013 – die Pilzflora in der Altholzinsel Fätzholz/Lehmgrubenhubel untersucht und dort mehr als siebzig verschiedene Pilzarten nachweisen können. Unterstützt wurden sie dabei von Förster Beat Steffen, der die Grenzen der zu untersuchenden Fläche abgesteckt hatte.
1998 ausgeschiedene Altholzinsel
Die der Ortsbürgergemeinde Vordemwald gehörende Waldfläche liegt auf Gemeindegebiet von Murgenthal und wurde schon 1998 als Altholzinsel ausgeschieden. Der fünfzig Jahre geltende Nutzungsverzicht wird dem Waldbesitzer im Rahmen des aargauischen Naturschutzprogramms Wald finanziell abgegolten. Seither dürfen in der 2,2 Hektaren grossen Waldfläche keine menschlichen Eingriffe mehr vorgenommen werden – dort sollen ausschliesslich natürliche Alterungs- und Zerfallsprozesse ablaufen. Damit entstehen vielfältige Lebensräume, insbesondere für diejenigen Tier- und Pflanzenarten, welche auf alte und absterbende Bäume sowie auf Totholz angewiesen sind. Das sind rund ein Viertel aller Waldarten, wie die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) nachgewiesen hat. Käfer mit rund 1500 Arten und Pilze mit rund 2700 Grosspilzen sind dabei die artenreichsten Gruppen.
Der Kanton Aargau hat im Rahmen der vierten Etappe des Naturschutzprogramms Wald (2014 – 2019) eine Pilotstudie zur Wirkungskontrolle für Waldbestände mit Nutzungsverzicht in Auftrag gegeben. Die Resultate zeigen eindeutig, dass in den Naturwaldreservaten mehr Arten gefunden wurden als im Wirtschaftswald. Und weiter: «Die Daten zeigen einen positiven Zusammenhang zwischen der gemessenen Totholzmenge und den vorgefundenen Rote-Liste-Arten und veranschaulichen somit die grosse Bedeutung des Totholzangebots im Wald für die Biodiversität». Auf einen kurzen Nenner gebracht: Totholz lebt – und belebt den Wald.
Ergebnis im Rahmen der Erwartungen
Am 13. September machten sich die Pilzlerinnen und Pilzler des Brittnauer Vereins in der Altholzinsel auf die Pilz-Pirsch. «Ohne grosse Erwartungen», wie der ehemalige Pilzkontrolleur der Gemeinden Vordemwald und Murgenthal, Walter Siegrist, ausführte, weil das Pilzjahr bisher eher enttäuschend verlaufen sei. Die 14 anwesenden Mitglieder des Vereins für Pilzkunde konnten bei ihrer Suche trotzdem mehr als 70 Pilzarten ausfindig machen. «Die Vielfalt ist gut», betonte Hansjörg Herzog, Präsident des Vereins, der zusammen mit Franziska Küng sowie Alfred Murat gleichzeitig als Pilzkontrolleur für sieben Gemeinden in der Region tätig ist. Im Fundgut seien zahlreiche Pilzgattungen vertreten: Porlinge, Trameten, Schwefelköpfe, Rüblinge, Schüpplinge, Milchlinge, Schleierlinge, Knollenblätterartige, Leistlinge, Täublinge, Gallertpilze, Ritterlinge, Röhrlinge, Faserlinge, Tintlinge, Stäublinge oder Champignons. «Ein Ergebnis, das wenig überraschend ist», meinte Herzog zum Sammelresultat. Der Fund eines Austernseitlings – ein essbarer Pilz, den man im allgemeinen eher an Flüssen in der Umgebung von Weiden findet – war für die Brittnauer Pilzkundler die grösste Überraschung des Tages. Auf der anderen Seite waren die holzwachsenden Pilze angesichts der Tatsache, dass in einer Altholzinsel mit hohem Totholzanteil gesucht wurde, in eher bescheidenem Ausmass vertreten.

Bild: Thomas Fürst
Und der Vergleich zur Bestandesaufnahme von 2013? Bei der damals ebenfalls im September durchgeführten Suche konnten in der Altholzinsel 40 Pilzarten ausfindig gemacht werden, 13 Arten wurden auf Totholz gefunden. Grundsätzlich sei es schwierig, so weit auseinanderliegende Bestandesaufnahmen zu vergleichen, meint der Präsident des Vereins für Pilzkunde, denn die Rahmenbedingungen seien natürlich keinesfalls identisch. Dass heuer deutlich mehr Pilzarten gefunden worden seien, dürfte einerseits der Witterung geschuldet sein, andererseits sei das Gebiet stellenweise auch sehr moosig. «Was ideal für Pilze ist, denn Moos ist ein guter Wasserspeicher», führt Herzog weiter aus.
Pilzsaison könnte noch richtig in Gang kommen
Der Wetterverlauf in der Schweiz war in diesem Jahr geprägt von einem äusserst warmen Sommer, wobei Juni und August besonders heiss waren, unterbrochen wurden die beiden Monate von einem nassen und kühlen Juli. Insbesondere im Juni stiegen die Temperaturen sehr hoch – es war der zweitwärmste Juni seit Messbeginn. Entsprechend enttäuschend verlief die bisherige Pilzsaison. Zwar hätten sich anfangs Juni etliche Speisepilze gezeigt, meint Hansjörg Herzog, nachher habe es auf Grund der Trockenheit keine Pilze mehr gegeben. «Das Pilzjahr war bisher schlecht, aber die Pilzsaison ist noch nicht gelaufen», bilanziert denn auch Walter Siegrist. Bleibe das Wetter so, wie es momentan sei – feucht und warm – dann könnte die Pilzsaison noch richtig in Gang kommen. «Und dann gut und gerne auch bis in den November hinein anhalten», ergänzt Hansjörg Herzog. Wobei er feststelle, dass es lokal – je nach Witterung – grosse Unterschiede gebe. Aber allgemein zeichne sich angesichts der Klimaerwärmung doch die Tendenz ab, dass sich die Pilzsaison vermehrt bis in den November hinein erstrecke.
Pilzkontrolle ist unverzichtbar
Den Pilzkontrolleuren bringt ein schlechtes Pilzjahr eher mehr an Arbeit. In guten Pilzjahren pflücken die Leute meist nur die Pilze, die sie wirklich kennen, in schlechten nehmen sie oft alles mit, was sie finden. Und das kann dann richtig gefährlich werden. «Dieses Jahr wurde mir ein Sammelgut vorgelegt, in dem sich ein halbes Kilogramm Grünblättrige Schwefelköpfe befanden», erzählt Hansjörg Herzog. Ein sehr häufig vorkommender, giftiger Pilz, der leicht mit dem essbaren Rauchblättrigen Schwefelkopf verwechselt werden kann. Seine Giftstoffe wirken auf Magen und Dünndarm und lösen Erbrechen sowie Durchfälle aus . Für Herzog ist deshalb klar: Eine Pilzkontrolle ist für alle Pilzsammler, welche nicht sattelfest sind, unverzichtbar. Ohne Wenn und Aber.

Bild: Thomas Fürst

Bild: Thomas Fürst
Die Anzahl der auf Holz wachsenden Pilze war eher gering. – Bild: Thomas Fürst Blick auf einen Teil des Sammelguts. – Bild: Thomas Fürst Blick auf einen Teil des Sammelguts. – Bild: Thomas Fürst Der Erdstern ist kein Speisepilz. – Bild: Thomas Fürst