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Von der Schul- und Gemeindebibliothek zur 365-Tage-Bibliothek

In Rothrist wird die Bibliothek in Zukunft 365 Tage im Jahr offen sein. Bedient und unbedient. Hinter dem neuen Konzept steckt mehr als eine bloss organisatorische Massnahme. Es geht um eine Neupositionierung der Bibliothek, in deren Zentrum frühkindliche Sprachbildung, Leseförderung und soziale Integration stehen.

Rothrist Vom 22. – 24. September wird die Eröffnung mit mehreren Events gefeiert

Mehr als ein Kärtchen wird es in Zukunft nicht mehr brauchen – und schon ist man drin. Mitten in der Rothrister Schul- und Gemeindebibliothek. Sogar ausserhalb der bedienten Öffnungszeiten. Dass die Bibliothek ab dem 26. September zur 365-Tage-Bibliothek wird, macht ein kleiner RFID-Chip (radio-frequency identification) in der Karte möglich. Mittels RFID-Etikette werden die ausgeliehenen Medien auf das jeweilige Benutzerkonto eingelesen. «Das Bibliotheksteam mit Marianne Beer, Karin Lienhard und mir hat in den Frühlingsferien eine grosse Vorarbeit geleistet, damit die Umstellung Ende September möglich wird», betont Barbara Zinniker, die Leiterin der Bibliothek Rothrist, seien doch sämtliche Medien umgerüstet worden. Gleichzeitig wurde auch der Eingangsbereich einladender umgestaltet. Verschwunden sind die hohen Regale, die die Sicht in den Raum versperrten – nun hat es deutlich mehr Sitzgelegenheiten und Rückzugsorte zum Stöbern.

Bibliotheken müssen mit der Zeit gehen

«Die Bibliotheken befinden sich in einem enormen Wandel», betont Barbara Zinniker, die dem Bibliotheksteam seit fünf Jahren angehört und seit vier Jahren dessen Leiterin ist. In Zukunft müssten sich Bibliotheken durch einfache Zugänglichkeit und ausgedehnte Öffnungszeiten auszeichnen, sie müssten aber auch einen grösseren Medienzugang durch ein verstärktes Online-Angebot sicherstellen. «Und nicht zuletzt sollen Bibliotheken dank hoher Aufenthaltsqualität auch zum Verweilen und Arbeiten einladen», ist sie sich sicher. 

Im Rahmen des Leitungskurses für Bibliothekarinnen in Schul- und Gemeindebibliotheken, den Barbara Zinniker während neun Monaten besucht und im Juni 2021 abgeschlossen hat, hat sie sich intensiv mit solchen Fragen befasst und gleichzeitig ein Entwicklungskonzept 2021 – 2026 für die «eigene» Bibliothek entwickelt. Dabei habe sich ein klares Aufgabenprofil für die Rothrister Schul- und Gemeindebibliothek herauskristallisiert, betont sie.

Die Lesekompetenz sinkt

In enger Zusammenarbeit mit Lehrpersonen aus Kindergarten und Primarschule sowie einer Kinderärztin hat Barbara Zinniker in ihrer Arbeit die Herausforderungen, welche sich der Bibliothek in Rothrist stellen, analysiert. Festgehalten wurde etwa, dass die Sprachbildung der Kindergärtner stagniert, ebenso die Lesekompetenz von Primarschülern. Die Kinderärztin äusserte die Vermutung, dass immer mehr Kinder eine verzögerte Sprachentwicklung hätten. Es sei häufig zu beobachten, dass Eltern – wenn sie mit ihrem Kind unterwegs seien – mehr Aufmerksamkeit ihrem Smartphone als ihrem Kind widmen würden. Leider ist es ebenfalls Tatsache, dass bereits Kleinkinder mit Smartphones oder Tablets spielen dürfen. «Ein Smartphone spricht halt nicht mit seinem Gegenüber», bringt es Barbara Zinniker lakonisch auf den Punkt. Untersuchungen hätten auch gezeigt, dass jedes vierte Kind beim Eintritt in den Kindergarten nur noch einen Wortschatz von 800 Wörtern mitbringe – kennen sollte es jedoch 2000 bis 2500 Wörter. Zudem hätten rund 14 Prozent aller Jugendlichen in der Schweiz keine ausreichenden Lesekompetenzen.

«Hier sollen und können Bibliotheken ansetzen», meint die Leiterin der Rothrister Bibliothek entschieden. In Teamarbeit habe das Bibliotheksteam die Ausgangslage besprochen und daraus ein Aufgabenprofil für die Bibliothek erarbeitet. Die drei wichtigsten Aufgaben der Rothrister Bibliothek seien erstens die Förderung der frühkindlichen Sprachbildung, zweitens die Leseförderung schlechthin und drittens die Bibliothek als dritten Ort neben Arbeit/Schule sowie dem Zuhause zu etablieren, an dem soziale Kontakte und Integration ermöglicht werden. 

Viele Projekte bereits umgesetzt – weitere in Planung

Was bisher relativ abstrakt tönt, wird konkreter, wenn man einige laufende oder geplante Projekte darstellt. Bereits das zweite Jahr läuft das Buchstart-Projekt «Lirum Larum», das die Sprachbildung für Kinder bis 3 Jahre auf spielerische Art fördert. Ein weiteres laufendes Projekt sind die SaMo-Gschichtli, bei denen jeweils am ersten Samstagmorgen im Monat eine Geschichte für Kinder im Vorschulalter (3 – 6 Jahre) erzählt wird. «Geschichten hören ist ein Bedürfnis – seit Corona noch viel mehr», sagt Barbara Zinniker. Eben erst angelaufen ist ein Freiwilligenprojekt, das sich «Lese-Tandem» nennt. Einmal wöchentlich schenken vier Lesementorinnen und -mentoren einem Kind Zeit, während der gemeinsam gelesen wird. «Das Kind bestimmt die Thematik, der/die Mentor/in schlägt ein Buch vor, in dem gelesen wird», umschreibt Barbara Zinniker den Ablauf. Ein weiteres geplantes Projekt – für Fremdsprachige – heisst «Schenk mir eine Geschichte». Neben der Förderung von Sprach- und Lesefähigkeit geht es bei diesem Projekt auch um soziale Integration. 

Ein besonders tolles Projekt ist der «Lese(S)pass», welcher am 1. November startet. Primarschüler können einen Lesepass abholen und erhalten für jeden Tag, an dem sie während mindestens zwanzig Minuten gelesen haben, eine Unterschrift von ihren Eltern. Diese Leseleistung wird anschliessend in Lesekilometer umgerechnet. «Ziel ist dann, dass sich Rothrist einmal um die Welt lesen würde», sagt Barbara Zinniker.

Weiterhin auch bediente Ausleihzeiten

Und die Bibliothekarinnen? Braucht es die überhaupt noch? «Sicher, aber unsere Aufgaben verändern sich», meint Barbara Zinniker dazu. Mit der 365-Tage-Bibliothek schaffe sich das Team Raum und Zeit für die Übernahme anderer Aufgaben. Mehr Zeit für Beratung und Projekte, weniger Zeit für die Ausleihe, da Benutzerinnen und Benutzer Ausleihe und Rückgabe selbstständig erledigen können. Wenn sie das wollen. Denn nach wie vor sind die Bibliothekarinnen zu den bisherigen Öffnungszeiten anwesend. Das sei, meint Barbara Zinniker, gerade für ältere Menschen, die im Umgang mit der modernen Technik nicht so gewandt seien, wichtig zu wissen.

Dreitägiges Eröffnungsfest

Die Umstellung der Rothrister Schul- und Gemeindebibliothek auf eine 365-Tage-Bibliothek mit stark erweiterten Öffnungszeiten erfolgt am Montag, 26. September. Vorher aber wird dies – vom 22. bis 24. September – mit zahlreichen Events gefeiert. Am Donnerstag, 22. September, 19 Uhr, liest Claudia Dahinden aus ihrem aktuellen Buch «Die Uhrmacherin». Am Freitag, 23. September, erzählt der der Rothrister «Brauhofer»-Bierbrauer Alex Maurhofer aus dem Alltag des Bierbrauers. Die drei Biersorten können zusammen mit Treberbrot kostenlos degustiert werden, Treberwurst vom Grill und Getränke sind kostenpflichtig. Und am Samstag, 24. September können Kinder und Jugendliche ihrer Kreativität freien Lauf lassen und zwischen 14 und 16 Uhr auf dem Tablet Mangas zeichnen. Weitere Informationen zu den Veranstaltungen finden sich unter www.bibliothek-rothrist.ch.

Der Eingangsbereich wurde offener und einladender umgestaltet.
Bild: Thomas Fürst