Schillernder Meisterjäger, der klare Gewässer braucht
Der Eisvogel ist der Vogel des Jahres 2026
Mit seiner türkisblauen Oberseite, der orangen Unterseite und der weissen Kehle glänzt der Eisvogel nicht nur wie ein Juwel. Als Botschafter für natur-nahe Fliessgewässer zeigt er auch, wo die Welt am Wasser noch in Ordnung ist. Soeben wurde er in der Schweiz zum Vogel des Jahres 2026 gewählt.
«Befasst man sich mit der Vogelwelt, so sind die unter Naturschutz stehenden Boninger Inseln etwas vom Grossartigsten, das es in unserer Region gibt», betont Beat Rüegger. Ein Grund dafür, aber bei weitem nicht der einzige: Dort lässt sich mit etwas Glück der Eisvogel beobachten, der von der Schweizer Bevölkerung soeben zum Vogel des Jahres 2026 gewählt worden ist. Mehr als 18’000 Personen haben abgestimmt, der Eisvogel setzte sich mit ganzen 53 Stimmen Vorsprung oder 30.47 % der abgegebenen Stimmen extrem knapp gegen die Wasseramsel (30.19 %) durch. Weitere Stimmen konnten die Gebirgsstelze (16.37 %), der Flussregenpfeifer (12.56 %) und die Uferschwalbe (10.40 %) auf sich vereinen.
Ein meisterlicher Fischer
Der Eisvogel gehört ohne Zweifel zu den attraktivsten Vogelarten, die in der Schweiz vorkommen. Auch wegen seiner auffälligen Gestalt mit dem grossen Kopf, dem langen Schnabel und dem kurzen Schwanz. Vor allem aber wegen seiner ins Auge stechenden Färbung: Türkisblaue Oberseite, orange Unterseite und weisse Kehle. Ein schillernder Vogel, dessen Name täuscht. Denn mit Eis hat der Eisvogel nichts am Hut. Der Begriff kommt aus dem Althochdeutschen «eisan», was soviel wie glänzen bedeutet.
Der Vogel des Jahres glänzt aber nicht nur mit seiner Färbung, er ist auch ein meisterlicher Fischer. «Der Eisvogel ernährt sich fast ausschliesslich von Fischen», weiss Beat Rüegger. Diese erbeutet er, indem er sich von einer Warte aus kopfüber ins Wasser stürzt. Er benötigt pro Tag 14 bis 25 kleine Fische.
Die wichtigsten Anforderungen an seinen Lebensraum umschreibt Rüegger deshalb so: Reicher Bestand an Kleinfischen, klares, langsam fliessendes oder sogar stehendes Wasser und genügend Sitzwarten wie Äste, Steine oder Schilf.
Während der Brutzeit im Sommer ist der Eisvogel zudem auf offene Steilwände angewiesen. Denn sein Nest baut der schillernde Vogel nicht in Bäumen, sondern in steile, unbewachsene Steilwände in Ufernähe. Um seinen Nachwuchs aufzuziehen, gräbt der Eisvogel 40 bis 80 Zentimeter lange, leicht ansteigende Brutröhren in senkrechte, offene Steilwände. «Am liebsten brütet der Eisvogel in lehmig-sandigen Wänden in Ufernähe», führt Rüegger aus. Er habe aber auch schon gesehen, dass dort, wo ein Ufer unterschwemmt wurde, Eisvögel ihren Nachwuchs in Wurzelstrünken umgestürzter Bäume aufziehen würden.
Grösste Bestände in der Region am Aareufer
Weil der Eisvogel früher als Fischräuber verfolgt wurde, gingen seine Bestände so stark zurück, dass er in die rote Liste der gefährdeten Arten aufgenommen wurde. Der Schweizer Brutvogelatlas ging in seiner Ausgabe von 1993 – 1996 von nur noch 300 – 350 Brutpaaren aus. «Man kann davon ausgehen, dass sich die Population in der Zwischenzeit etwas erholt hat», meint Beat Rüegger. Jedenfalls wird die Anzahl der Brutpaare im Brutvogelatlas für die Jahre 2013 – 2016 auf 400 – 500 geschätzt. «In der der Region geht es dem Eisvogel jedoch relativ gut», führt Beat Rüegger weiter aus, obwohl sein Gefährdungsstatus immer noch als verletzlich eingeschätzt wird. Die grössten Bestände des Meisterfischers finden sich in der Region am Aareufer, dann auch der Pfaffnern entlang und in der Rothrister Stampfi. Üblicherweise bleiben die Eisvögel das ganze Jahr hindurch in ihrem Revier. «Wenn die Bedingungen für sie stimmen», wie Rüegger präzisiert. So seien im letzten Winter sämtliche Eisvögel plötzlich verschwunden, obwohl es überhaupt nicht kalt gewesen sei. «Aber die Aare führte damals permanent Hochwasser – und der Eisvogel konnte im trüben Wasser nicht fischen», erklärt der Rothrister Vogelkenner.
Am grössten sind die Eisvogelbestände jeweils im Herbst. Mit etwas Glück können sie dann sogar an Karpfenteichen oder Waldweihern in der Region beobachtet werden. «Ein Eisvogel kann im Idealfall pro Jahr bis zu 20 Junge aufziehen», sagt Rüegger, wobei er sehr empfindlich auf menschliche Störungen in der Nähe der Brutwand reagiere. Mit zwei bis drei Bruten mit einer Gelegegrösse von jeweils sechs bis sieben Eiern sei er aber in der Lage, Bestandeseinbrüche durch Hochwasser und kalte Winter recht rasch auszugleichen.
Die Geschlechter lassen sich beim Eisvogel nur an der Schnabelfärbung unterscheiden. Beim Männchen ist der Unterschnabel schwarz, beim Weibchen orange gefärbt. Die «Erziehungsarbeit» teilen sich die beiden Elternteile partnerschaftlich. Die Jungvögel werden mit Insekten und kleinen Fischen gefüttert. Im Gegensatz zu anderen Vogelarten kennt der Eisvogel-Nachwuchs keinen Futterneid: Ist ein Jungvogel mit einem Fisch gefüttert worden, wandert er in der Höhle nach hinten und stellt sich hinter seinen Geschwistern in die Reihe. Nach drei bis vier Wochen verlassen die Jungvögel ihr Nest und werden bald vertrieben. Für sie beginnt dann die Reviersuche.
Renaturierungen haben dem Eisvogel geholfen
Wo ein Eisvogel brütet, ist die Welt am Wasser noch in Ordnung. «Der Eisvogel ist mit Bestimmtheit ein Botschafter für einen attraktiven Lebensraum», betont Beat Rüegger. Gerade hinsichtlich Habitatsverbesserungen hätten sich Naturschutzvereine in der Region stark engagiert. Trotzdem gelte es weiterhin, zum Lebensraum des Eisvogels Sorge zu tragen, findet Rüegger. Damit man den Vogel des Jahres 2026 auch in Zukunft in der Region beobachten könne.
Thomas Fürst







